Bericht über die Schule im Armenviertel Carrefour-Aztèque, die von der Haiti Kinder Hilfe unterstützt wird. (Mai 2015)

Wir haben für die Schulen, die dort Patenschaften haben, viele Kinder fotografiert und versucht mit jedem ein bisschen zu sprechen. Diese Kinder sind sehr schüchtern. Vor allem „Weißen“ gegenüber! Sie waren schwer dazu zu bewegen, fürs Foto zu lächeln und es war höchstens „ja“ oder „nein“ aus ihnen zu bekommen, oder eine Zahl: die Anzahl Geschwister oder die Klasse. Sie sind es überhaupt nicht gewöhnt, Fremde zu sehen. Ihr Viertel liegt ganz oben auf einem Hügel über Port-au-Prince und ist schwer zugänglich. Einen Fotoapparat sehen sie nur, wenn wir kommen!

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Die Eltern dieser Kinder können fast alle nicht lesen und schreiben. Sie sind sehr froh, dass ihre Kinder die Chance haben, in die Schule zu gehen. Alle, die wir getroffen haben, haben sich sehr bedankt.

In den Haushalten gibt es keine Bücher, auch keine Zeitungen, kein Papier, keine Stifte… Deswegen fällt es den Kindern dort viel schwerer, Lesen und Schreiben zu lernen. Man merkt schon an ihren Zeichnungen, dass sie es nicht gewöhnt sind, einen Stift zu halten. In ihrem Alter würden europäische Kinder viel besser zeichnen! Wir machen uns das in Europa nicht klar, wie es ein Kind beeinflusst, regelrecht bildet, wenn es ganz früh Buntstifte bekommt, kritzeln darf, wenn es die Eltern lesen sieht, wenn es abends eine Geschichte vorgelesen bekommt usw…

In Haiti wird das Meiste mündlich überliefert. Es hat auch einen Vorteil: die Menschen haben ein viel besseres Gedächtnis! Sie müssen ja das Gehörte behalten. Sie können nicht schnell aufschreiben geschweige denn auf ein Bildschirm schauen und schnell etwas „googeln“.

Es sind seit vorigem Jahr wieder ein paar Familien weggezogen. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass von 20 Kindern jedes Jahr ca. 6 bis 8 umziehen und dann nicht mehr in dieser Schule sind. Das ist nicht immer ein schlechtes Zeichen, im Gegenteil. Ganz langsam wird es in Haiti ein Bisschen besser. Manche konnten aus diesem sehr armen Viertel ausziehen, hinunter in die Stadt. Man muss sagen, dass das Viertel sehr unzugänglich ist. Die Wege dahin (man kann nicht von Straßen sprechen) sind irrsinnig steil. In Europa wäre es undenkbar, dass man versucht mit einem Auto hochzufahren. Dort fahren entweder alte Geländefahrzeuge oder ur-uralte Autos, richtige Wracks, die man bei uns nur auf Schrottplätzen sieht – wenn überhaupt! Meistens muss man richtig Anlauf nehmen und darf unterwegs nicht halten. Man wäre nicht sicher, weiter bergauf fahren zu können. Es gibt nur ganz wenig solche Fahrzeuge. Vielleicht 10 oder 12 fürs ganze Viertel. Es sind die „reicheren“, die ein solches besitzen. Dann haben einige ein Geländemoped. Sie sind richtige Akrobaten auf den Dingern! Sonst müssen die Leute, wenn sie in die Stadt wollen oder müssen (manche arbeiten „unten“), gut eine Stunde hinunter zu Fuß gehen. Auf dem Rückweg, bergauf, dauert es viel länger: ein steiler Pfad, der über Bachbetten führt, die unpassierbar sind, wenn es regnet, weil sie sich in reißende Bachbäche verwandeln. Auch der Schulleiter hat kein Fahrzeug. Wenn wir kommen organisiert er jemanden, der uns hochfährt. Es ist jedes Mal ein Abenteuer. Wenn wir abends wieder hinuntergefahren werden, drücken wir die Daumen und beten, dass die Bremsen halten. Es fühlt sich an wie auf der Achterbahn.

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Kiosk in Carrefour-Aztèque

Es gibt keinen Laden, nur eine Art Kiosk, ganz klein. Also müssen die Bewohner des Viertels auch fürs Einkaufen hinunter.

A-Kanister unter Dachrinne

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Problem in diesem Viertel ist das Wasser. Es gibt eine große Zisterne fürs ganze Viertel, aber sie füllt sich nur wenn es regnet und in Trockenzeiten ist sie leer. Dann müssen die Frauen 4 Kilometer laufen, um Wasser zu holen.

Eine schöne Neuigkeit dieses Jahr ist, dass die Schule einen kleinen Gemüsegarten hat. Da wächst einiges, das in die Mittägliche Suppe getan wird, die die Kinder bekommen. Sie sind sehr stolz darauf. Als wir da waren, wuchsen große wunderbare Kohlköpfe, die jedem sehr gut schmeckten.

Kohlköpfe im Schulgarten-2

Manche Häuschen-Baustellen sind um 2 Reihen Hohlblocksteine höher geworden. Die Männer machen selber die Hohlblocksteine. Wir haben ihnen zugeschaut. Wir merkten, dass diese Hohlblocksteine -so wie sie sie machen- überhaupt keine gute Qualität haben und die damit gebauten Häuschen sicher nicht lange halten würden, auf jeden Fall beim ersten Erdbeben wieder einstürzen würden. Ein uns bekannter Belgier, der seit 49 Jahren in Haiti lebt, hat Bücher über erdbebensicheres Bauen geschrieben und kennt sich sehr gut aus. Zwei der jungen Männer, die in den Heimen der Haiti Kinder Hilfe aufgewachsen sind, haben Bautechniker studiert. Wir haben organisiert, dass sie bei diesem Belgier ein Praktikum machen. Danach werden sie für die Männer des Viertels einen eintägigen Kurs leiten, in dem sie ihnen beibringen, wie man „gute“ Hohlblocksteine macht und „sichere“ Häuschen baut. Der Schulleiter war begeistert von der Idee und stellt die Schule für den Kurs zur Verfügung.

Schlechte Hohlblocksteine-2

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Eine tolle Erfindung haben wir gezeigt bekommen. Die Jugendlichen haben einen Besen gebastelt, der aus einem Stock und Plastikflaschen gemacht ist. Sie verwerten also Müll, machen Neues daraus. Der Boden der Flaschen wird herausgeschnitten, dann werden die „Wände“ in Längsstreifen geschnitten. Der Flaschenhals bleibt ganz und wird auf den Stock eingefädelt… uns so eine Flasche nach der anderen, eine über der anderen. Vielleicht kann durch den Verkauf dieser Besen einer der Mütter oder Väter der Kinder sogar Geld verdienen.

Nächstes Jahr können wir mehr erzählen.

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