04. November 2016
Liebe Freunde und Förderer der Haiti Kinder Hilfe,
„Erbärmlich“ , dieses Wort beschreibt die Lebenssituation vieler Menschen in Haiti. Oft ein Leben im Dreck neben der Straße, inmitten gewaltiger Abgaswolken, ein Leben in „Verschlägen“, die weder ausreichenden Schutz vor Regen und Hitze bieten noch vor Eindringlingen aller Art, sei es Tier oder Mensch. Menschen ohne Einkommen, die versuchen mit ein bisschen Handel am Straßenrand zu überleben.
Aber es gibt auch die „besseren“ Stadtviertel oder Ecken in Port-au-Prince, gute Restaurants, in denen man für gehobene europäische Preise ordentlich essen kann. Und auch gut sortierte Supermärkte, die Preise vergleichbar mit REWE & Co in Deutschland. Und ein fünf Sterne Hotel, an dem die Familie Clinton wesentliche Anteile hält, gibt es auch. Ich hab’s nicht überprüft.
Die letzten Tage war ich in Port Salut, im Süden Haitis. Dort wo das Auge des Zyklons gewütet hat. Die Hauptstadt Port-au-Prince war nicht so schlimm betroffen. Aber im Süden ist die Situation erschreckend. Die meisten Palmen und anderen Bäume sind abgeknickt oder umgerissen und oft auf Häuser gefallen. Statt tropischer Vegetation sieht die Landschaft apokalyptisch aus. Nicht eine der eh schon armseligen Unterkünfte hat sein Dach behalten, vielfach sind sie ganz eingestürzt. Ich habe schlimme Geschichten gehört, wie ganze Familien schutzlos über viele Stunden betend hinter einer wackligen Hauswand ausharren mussten. Ihnen blieb nur die Hoffnung aufs Überleben, das wenige Hab und Gut hatte ihnen schon der Zyklon genommen. Doch mehr als 800 Menschen haben Matthew nicht überlebt.
Viele Menschen müssen hungern, die „staatliche“ Lebensmittelverteilung funktioniert überhaupt nicht. Der Frust, gepaart mit Hunger und den Traumata des Erlebten, hat sich gestern in Les Cayes in gewalttätigen Demonstrationen mit brennenden Barrikaden entladen. Zwei Menschen sollen durch Schüsse ihr Leben verloren haben. Glücklicherweise war ich nicht betroffen, habe meine Rückfahrt durch die Stadt um einen Tag verschoben.
Wie schon berichtet hat unsere Schule in Carrefour/Port-au-Prince das Unwetter schadlos überstanden. Das erfüllt uns mit Stolz, haben wir doch offensichtlich ein solides Gebäude gebaut, in dem die Menschen, denen die „Hütte“ weggeschwemmt wurde, Schutz gefunden haben. Wir haben bereits begonnen für einige Familien neue, gemauerte Häuschen zu errichten. Zunächst für die Ärmsten der Armen nach einem Kriterienkatalog. Kinderreich, alleinstehende Mütter, mittellose Senioren, Familien in denen ein Mitglied gehandicapt ist. Und trotzdem bleibt es für unsere haitianischen Partner eine furchtbar schwere Aufgabe, eine Auswahl zu treffen. Den vielfachen Wunsch nach Gottes Segen; „Que Dieu vous benisse“, den ich erfahren habe, gebe ich gerne an alle Spender weiter.
Und doch gibt es auch in unserer Schule großen Investitionsbedarf. Wie in jeder Schule mit lebhaften Kindern geht auch hier ständig was kaputt. Dazu kommt die exponierte Lage in einer klimatisch schwierigen Region. Wir werden die notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen auf den Weg bringen und für die Kinder auch das neben der Schule befindliche Grundstück einebnen und als Schulhof nutzbar machen. Die Kinder wünschen sich so sehr ein Karussell und eine Schaukel. Ich habe es noch nicht zugesagt, aber ich glaube, dass sie schon gemerkt haben, dass mein Zögern nicht von langer Dauer sein wird.
Wir haben auch den ersten PAUL (Portable Aqua Unit for Livesaving) in den Probebetrieb genommen. Wir wollen damit das Zisternenwasser zu trinkbarem Wasser aufbereiten. Die ersten Erfahrungen sind gut und machen Hoffnung, dass es gelingt.
Viele Grüße nach Deutschland
Jürgen Schmitt (seit etwa 2 Wochen in Haiti)
Vorsitzender Taubertäler Hilfsgemeinschaft e.V.